Produktion #06
Gerne sehen wir das Mittelalter als eine Zeit, in der Mensch und Natur noch eine »gesunde« Beziehung hatten. Aber war der Umgang mit Ressourcen damals wirklich viel besser als heute?
Werfen wir einen Blick zurück: Auch in früheren Jahrhunderten bringt die Produktion von Gütern Veränderungen und Belastungen der Umwelt mit sich. Beispielsweise führt im mittelalterlichen Metallsektor der Bedarf an Holzkohle zur Abholzung von Wäldern. Schmelzhütten stoßen Emissionen aus, die im Kölner Kupfergewerbe um 1460 nach Protesten sogar zur Verlegung eines großen Betriebs zwingen.
Und auch beim Textilgewerbe beklagt man bisweilen negative Auswirkungen. Zu Problemen wegen der Färbereien kommt es im 15. und 16. Jahrhundert etwa in Zürich, Antwerpen und Amsterdam. Als sich 1470 in Chemnitz Handwerker:innen und Gemeinde wegen des schädlichen Abwassers aus der Färberei beschweren, geben die Tuchmacher:innen zur Antwort, die Leute in Zwickau hätten mehr als 100 Färbekessel und »gleichwohl so gute fissche yn yren graben ader bessir denne wir«. Ihrer Meinung nach sind die Fische trotz verschmutztem Wasser immer noch gut essbar, und die Herzöge gestehen ihnen die weitere ungestörte Nutzung der Färbekessel zu.
Auch die Regulierung von Wasserläufen zum Betreiben von Walk- und anderen Mühlen hat Folgen für Anwohner:innen und Natur, ebenso wie der konsumbedingt verstärkte Anbau von Färberpflanzen, der auf Kosten des Getreideanbaus geht – mit Konsequenzen für die Versorgungslage. In Speyer schränkt man mit Blick darauf 1356 den übermäßigen Anbau der Färberröte (Krapp) ein. Gerade der zum Blaufärben benötigte Waid belastet den Boden stark, Vorbehalte gegen dessen Anbau spiegeln sich in verschiedenen mittelalterlichen Schriftzeugnissen vom Niederrhein wider. Für Martin Luther ist der Waidanbau bei Erfurt dann zum Fluch geworden, weil er die fruchtbaren Äcker dürr gemacht hat. Zu Verlusten an Ackerland führt außerdem eine starke Intensivierung der Schafzucht. Den englischen Lordkanzler Thomas Morus veranlasst dies im 16. Jahrhundert gar zu der Bemerkung, dass die Schafe die Menschen fressen würden.
Rudolf Holbach
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