Die Kunst des Färbens von Textilien im Mittelalter ist eine wichtige und spezialisierte Handwerkskunst. Die Wahl der Farbstoffe und die Färbetechniken spielen eine entscheidende Rolle bei der Herstellung von farbenfrohen und vielfältigen Stoffen.
Durch eine Färbung lässt sich der Wert eines Stoffstückes steigern, Kundinnen und Kunden in ganz Europa wollen sich bunt kleiden. So steigert beispielsweise eine Rotfärbung mit Kermes den Wert eines flämischen Tuchs um fast das Doppelte. Eine Veredelung mit Schwarz, Blau oder Grün erhöht die Gesamtkosten um 15%.
Diese einfachen Übungen zeigen, dass teure Qualitätsstoffe für die Mehrheit der Bevölkerung nicht unbedingt erschwinglich waren. Es gab jedoch günstigere Alternativen zu teuren Farbstoffen.
Ein weiteres Problem, zumindest für das gemeine Volk, sind die Luxusordnungen. Diese Gesetze schränken den Gebrauch von Seide und anderen luxuriösen Stoffen auf Adlige und Kleriker ein. Dennoch fanden gefärbte Stoffe viele Abnehmer und wurden durch die Kaufleute der Hanse in ganz Nordeuropa verbreitet.
Rot
Im Mittelalter werden die Farben Blau und Rot als besonders kostbar angesehen. Rote und gelbe Farbstoffe werden hauptsächlich aus natürlichen Quellen gewonnen. Durch die Verwendung eines metallischen Beizmittels wie Alaun (Aluminiumionen) wird der Farbstoff an die Textilfasern gebunden.
Für die rote Farbe werden ungelegte Eier der Kermes- oder Cochenille-Laus verwendet. Das Einsammeln der Eier ist eine mühselige Praxis. Kermesläuse kommen in Südeuropa vor, während Cochenille in Mitteleuropa zu finden sind. Die wichtigsten auf Kermes spezialisierten Färbereien befanden sich in Flandern, in Südfrankreich und in den Textilstädten Italiens. Die Werkstätten wurden mit Kermes aus der Provence, aus Griechenland und von der Iberischen Halbinsel beliefert.
Das Färben mit Kermes war der ultimative Luxus des Mittelalters. Bis heute ist Kermes einer der teuersten Farbstoffe. Das Färben eines Textils erfordert große Mengen an Farbstoff, was die Kosten und den Wert solch teurer Farbstoffe erhöht. Cochenille ist eine etwas günstigere Alternative, die aber immer noch im hochpreisigen Segment angesiedelt ist. Während mit Kermes dunkle und strahlende Rottöne erzielt werden, lassen sich mit Cochenille neben Rot auch Lila und Rosa färben. So ist eine große Variation an Rottönen bereits im 15. Jahrhundert für Teile der Bevölkerung erhältlich.
Eine günstigere Alternative war die Verwendung von Färberkrapp, der beispielsweise in den Niederlanden in großen Mengen angebaut wurde. Im 15. Jahrhundert, Jahrhundert kostete Kermes 20 Mal mehr als Krapp. Mit der Färberpflanze lassen sich ein oranges Rot und intensives Orange färben. Einige Provinzen hatten ein Monopol auf den Anbau von Krapp, bis Frankreich um 1760 begann, die Pflanze in großem Umfang anzubauen. Ab dem 16. Jahrhundert wurde Brasilholz als alternatives Rotfärbemittel aus Brasilien importiert.
Scharlach
Im Mittelalter gibt es einen sehr kostbaren Stoff, das Scharlach-Tuch. Es gilt als einer der luxuriösesten Stoffe seiner Zeit. Der Name Scharlach-Tuch kommt aus dem Mittellateinischen und bedeutet so viel wie „geschnittenes” oder “geschorenes” Tuch. Das weist darauf hin, dass dieses Tuch auf besondere Weise hergestellt wird. Nachdem es gewebt und verdichtet wird, wird es oft noch geschoren oder geschnitten, um eine feine und hochwertige Oberfläche zu erhalten.
In unserer Ausstellung könnt ihr eine Tuchschere sehen, die speziell zum Scheren solcher Stoffe verwendet wurde. Sie wiegt 18 kg und ist etwa 1,5 Meter hoch.
Das Scharlach-Tuch hat eine edle, matt glänzende Oberfläche, die durch aufwendige Veredelungsprozesse entsteht. Es wird aus hochwertiger Wolle gewebt und mit kostbarem Kermes rot gefärbt. Es gab jedoch auch Varianten in Weiß, Braun, Grün, Blau oder gestreift. Man kann sagen, dass dieses Tuch in Bezug auf Qualität mit Seidengeweben vergleichbar ist.
Nicht jeder kann sich diesen Stoff im 15. Jahrhundert leisten oder ihn tragen. In einigen vornehmen Kreisen ist es beispielsweise per Luxusordnung nur erlaubt, ihn bei einer Mitgift im Wert von über 300 Mark Lübisch zu besitzen. Aber selbst ohne solche Gesetze war das Textil für die meisten Menschen einfach unbezahlbar. Im 15. Jahrhundert musste ein Maurermeister in Flandern ganze 452 Arbeitstage opfern, um ein Stück Scharlach aus Ieper (Ypern) zu kaufen. Mit dem gleichen Geldbetrag konnte man auf dem Markt in Antwerpen 2720 kg flämischen Käse, 850 kg Butter oder 780 Meter grobes Leinen kaufen. Daher war dieser luxuriöse Stoff hauptsächlich Königen, Prinzen, Kardinälen und dem Papst vorbehalten.
Gelb
Gelb kann beispielsweise mit Färberwau, Ginster oder Safran erzeugt werden. Färberwaid, auch bekannt als Weld oder Reseda luteola, ist eine der Hauptquellen für Gelb und Grün. Archäologische Funde belegen, dass die Pflanze im Mittelalter in England und Schottland angebaut wird. Ein Handelsbuch aus dem 14. Jahrhundert namens „Pratica della Mercatura“ von Francesco Pegolotti nennt die Regionen Marken und Apulien in Italien, die Insel Zypern und Syrien, die auf die Waid-Herstellung für den internationalen Handel spezialisiert sind.
Es gibt noch andere Quellen für Gelb- und Grüntöne, die in natürlichen Lebensräumen in fast ganz Europa gesammelt werden, wie das Sägekraut (Serratula tinctoria) und das Jungfernkraut (Cotinus coggygria). Jedoch scheint Waid in viel größeren Mengen verwendet worden zu sein. Obwohl sie wesentlich teurer ist als die beiden anderen Pflanzen, erwies sie sich als eine sehr zuverlässige Quelle, die gelben Farbtöne sind „reiner“ und weniger orange als die des Sägekrauts.
Gelb ist im 14. Jahrhundert die zweitliebste Farbe der Florentiner Patrizierinnen, gleich nach Rot (manchmal in Verbindung mit Rot). Dasselbe gilt für Elitefrauen aus anderen Städten Italiens, Frankreichs, Deutschland oder England.